Die Vorgeschichte des Lichtenfelser Schützen- und Volksfestes

Schützenfeste erfreuen sich seit alters in ganz Deutschland großer Beliebtheit. Besonders in Franken wird schon vor Jahrhunderten von Frei- und Vogelschießen berichtet. Das gilt auch für die Stadt Lichtenfels. Die allgemeine Entwicklung des Schützenwesens lässt sich am Beispiel der Lichtenfelser Schützengesellschaft verfolgen. Ihre Anfänge reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert. Wann das erste Lichtenfelser Schützenfest abgehalten wurde, kann nicht exakt festgestellt werden. Über das genaue Gründungsjahr der Schützengemeinschaft sind wir nicht unterrichtet. Die Schützen entstanden aus Schutzgilden und Wehrgemeinschaften, die in der Erhaltung der allgemeinen Sicherheit ihre Aufgaben sahen; ihre Schützenfeste feierten sie (Armbrust- und Büchsenschützen), wenn sie ihre Stadt erfolgreich verteidigt hatten.
Im Jahre 1910 beschäftigte sich Geheimer Kommerzienrat Georg Krauß, anläßlich der Hundertjahrfeier der Schützengesellschaft erstmals mit der Geschichte der „Lichtenfelser Schießgesellen“.
Er schrieb: „Die Aufzeichnungen, die wir vorfinden, sind leider, wie alle Aufzeichnungen aus verflossenen Jahrhunderten, nicht nur spärlich an der Zahl, sondern vor allen Dingen nicht eingehend genug, um uns an ihrer Hand ein Bild entwerfen zu können von dem eigentlichen Treiben unserer Schießgesellen.
Die Aufzeichnungen, die von der Zunft zweifelsohne geführt wurden, gingen verloren. Nur vereinzelt lassen sich aus den Ratsprotokollbüchern und sonstigen Quellen knappe Hinweise zur Geschichte des Schützenwesens entnehmen. Durch Vergleich mit den Nachbarstädten, wo ähnlich gelagerte Verhältnisse bestanden, ergeben sich aber ziemlich zuverlässige Schlüsse.
Die Schützen entstanden, wie schon der Name sagt, einst aus den sogenannten Schutzgilden, die zur Erhaltung der allgemeinen Sicherheit, wie zur Unterstützung der Armen oder der durch Feuer usw. Heimgesuchten gebildet wurden.
Der Ursprung der Schützengilden fällt mit der Entwicklung von Ansiedlungen zu Städten und, damit verbunden, des Entstehens eines freien Bürgertums zusammen. Es waren bewaffnete Bürgerverbindungen, denen der Schutz der Städte oblag, und nur Männer mit Ehre und einem tadellosen Lebenswandel fanden unter ihnen Aufnahme.
Das Vorrecht des Waffentragens war Ausdruck hoher Ehre und öffentlicher Achtung, außerdem waren damit bedeutende Vergünstigungen (Privilegien) verbunden.
Der Wortstamm des Namens "der Schütze" ist mit "zu schützen" verwandt, ebenso das Wort "schießen".
In der Schützengilde erhält die bewaffnete Bürgerschaft im 15. Jahrhundert ihre Organisation.
Der älteste Hinweis auf diese Gemeinschaften stammt von Bischof Otto II. von Münster aus dem Jahre 1258. Eine von diesem Kirchenfürsten verfaßte Urkunde regelt die Pflicht zur Teilnahme an den Schutz-Gildenschaften.
Das Aufkommen der Städte und die zu Ihrer Verteidigung notwendigen militärischen Maßnahmen, die sich naturgemäß auf die Bürgerschaft stützen mußten, erforderten eine allmähliche Neuordnung der Streitmacht in den städtischen Siedlungen. Waren bis dahin die landesherrlichen Heere aus der wehrpflichtigen Ritterschaft und deren Gefolgsleuten zusammengesetzt, so traten im 13. und 14. Jahrhundert auch die an Zahl immer mehr zunehmenden Städte dabei in Erscheinung.
Wir finden schon zu Anfang des 15.Jahrhunderts in den einschlägigen Akten der „Schießgesellen“ Erwähnungen und glauben mit Recht annehmen zu dürfen, daß schon im Jahre 1413 eine Art Schützengesellschaft in Lichtenfels bestand. Die Gründung erfolgte nicht in einem bestimmten Jahr; sie entwickelten sich vielmehr aus jenen städtischen Wehrgemeinschaften, die von Anfang an auch die Schützen einschließen mußten, wenn sie ihrer Aufgabe, dem allgemeinen Wohl der Stadt zu dienen, gerecht werden wollten. Diese städtischen Wehrgemeinschaften sind ohne Zweifel so alt wie die Städte selbst, so dass in allen Fällen ihre Entstehung sich im Dämmerlicht der frühen hochmittelalterlichen Geschichte verliert.
Waren anfänglich die Schützen nur mit Armbrüsten bewaffnet, so folgten sie dem Fortschritt der Waffentechnik und traten bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts auch als Büchsenschützen auf.
Beide Gruppen - Armbrust- und Büchsenschützen - bildeten als Bestandteile derselben städtischen Wehrinstitution stets eine Einheit; so wie sie im Ernstfalle gemeinsam die Stadt verteidigten, feierten sie auch gemeinsam ihre Schützenfeste.
Georg Krauss nennt das Jahr 1 4 1 3, weil hier unter Bischof Albert für Lichtenfels eine neue Stadtordnung erlassen wurde, die Verfassung und Gerichtswesen regelte. Den Schießgesellen wurde wahrscheinlich im Rahmen der Verteidigung eine wesentliche Rolle zuteil, doch finden sich hierüber keinerlei schriftliche Belege.
Der älteste schriftliche Nachweis über die Lichtenfelser Schützen befindet sich im Bamberger Staatsarchiv. Das Bamberger Ratsmemorialbuch für die Zeit von 1470 bis 1527 enthält nachfolgenden Eintrag über das „Landtschießen anno 1500 zu Bamberg“, es werden viele Adelige aus dem Bamberger Land und verschiedene Städte erwähnt.
Aufzeichnungen, vermutlich von der Feder des damaligen Bamberger Stadtschreibers, berichten von den Veranstaltungen eines Bamberger Landschießens, das am St. Bartholomäustage, dem 24.August des Jahres 1500, begann. An 54 Städte ergingen Einladungen zur Abordnung von Schützen zu diesem Fest. Insgesamt 19 Schützenabordnungen von auswärtigen Orten waren vertreten: von Zeil, Schleusingen, Kronach, Gerolzhofen, Haßfurt, Wertheim, Volkach, Dettelbach, Baunach, Schweinfurt, Nürnberg, Staffelstein, Ebern, Römhild, Ochsenfurt, Coburg, Herzogenaurach, Strullendorf und schließlich auch von Lichtenfels. Namentlich ist der Lichtenfelser Bürger Heintz Mulner genannt. Geschossen wurde sowohl mit der Armbrust wie mit der Büchse. Das „Beste“, das heißt der Hauptgewinn bei beiden Schießen, bestand in je einem „verdeckten Ochsen“, ein zweiter Gewinn war ein silberner und übergoldeter Sankt Georg.
Die nächste Nachricht entstammt der Lichtenfelser Stadtrechnung von 1513/14. Sie vermerkt unter dem Titel Ausgaben: "Geben 2 Gulden den Büchsenschützen, die uf das Schießen gen Bamberg gezogen, uf Befehl eines Rats".
Eine Menge von Belegen aus Lichtenfelser Forst- und Castenrechnungen zwischen 1519 und 1741 machen deutlich, wie die Stadt Lichtenfels an der Pflege des Schützenwesens interessiert war und dass sie es sich nicht nehmen ließ – wenn auch zum Teil aus egoistischen Gründen – ihre „Schießgesellen“ zu unterstützen.
1629
Am 26. Juni 1629 berichten die Schützen und Schießgesellen zu Lichtenfels, ihr Schießhaus sei eingefallen, die Schützen können deshalb bei Regenwetter nicht mehr zu den hergebrachten Übungen kommen. Sie wollten ihr Schießhaus gerne wieder aufbauen und wollten bei Tag und Nacht auch Leib und Leben, Gut und Blut bereitwillig einsetzen, man möge ihnen deshalb das Bauholz zum Schießhaus zur Verfügung stellen. Darauf gab der Fürst vom Bamberg auf Vorschlag des Lichtenfelser Forstmeisters 74 Reiser und 3 Bäume in Carl Dehlers Forstrevier bei Steinern Kreuz und hinterm Freistuhl in Gnaden, das heißt kostenlos ab. (Forstprotokoll im Staatsarchiv Bamberg)
1629/1630
Aus der Stadtrechnung des Jahres 1629/1630 ist zu ersehen, dass zur Erbauung des neuen Schießhauses die Stadt einen Zuschuß von 50 Gulden leistete.
Die älteste detaillierte Schilderung eines Lichtenfelser Schützenfestes liegt aus dem Jahre 1811 vor. Das Vogelschießen, der eigentliche Anlass für das Schützenfest, wird hier bereits mit einem Volksfest verbunden, das Parallelen mit den heutigen Festen aufweist.
Die Gründung der Lichtenfelser Schützengesellschaft erfolgte im Jahre 1810. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Freischießen von den Schützen mit großer Sorgfalt und Hingabe vorbereitet. Wegen vereinsinterner Krisen der Schützengesellschaft und äußerer politischer Ereignisse, die große öffentliche Festlichkeiten verboten, kann man eine kontinuierliche Folge der Feste nicht verfolgen.
Nachweislich pflegten die Lichtenfelser Schützen ihren Schießsport bereits seit frühester Zeit. Aber der Zeitpunkt, seit dem ihnen eine eigene Schießstätte zur Verfügung stand, und der Standort dieses ersten Schießhauses bleiben unbekannt. Erstmals wird für Lichtenfels die „Gemein Schueshütten" (= gemeindliche Schießhütte) im Rechnungsjahr 1543/44 genannt, jedoch ist aus dem knappen Hinweis der Standort des Hauses nicht zu ersehen. Erst durch einen besonderen Vorfall wird der Burgberg als Schießplatz erwähnt. Es handelt sich dabei um ein Gesuch der Schützen und Schießgesellen vom 24. August 1617 an den Amtmann der Stadt. Sie baten ihn darin, die gegen sie erkannte Buße von hundert Gulden doch abzuwenden. Zwar fehlen nähere Einzelheiten von diesem Ereignis, aber wahrscheinlich war es doch so, dass die Schützen, um sich beim Hauptschießen einen größeren Zuschauerkreis zu sichern, ein Kleinod aushängten. Das heißt, sie führten eine volksfestartige Veranstaltung mit allerlei Spielen vermutlich ohne behördliche Genehmigung durch. Der Burgberg war für die frühen Schießen der geeignete Ort. Damals befanden sich dort noch mächtige Wälle, unter deren Schutz der Schießsport gefahrlos betrieben werden konnte.
Dann scheinen infolge der kriegerischen Wirren (1618-1648) die Schützengesellschaften und Schützenfeste ausgefallen zu sein. Erst in den nachfolgenden Friedenszeiten erstand die Schützengesellschaft wieder, sie konnte aber vorerst die frühere Bedeutung und Glanzentfaltung nicht erreichen. 1726 unter den in der Stadtpfarrkirche aufbewahrten Fahnen wird auch die Jägerfahne erwähnt. Gemeint war die Schützenfahne. Sie scheint verloren gegangen zu sein, da sie in späteren Inventaren nicht mehr erwähnt wird (Lichtenfelser Pfarrarchiv)
Über die Zeit von1750 bis 1810 sind keine Aufzeichnungen über Lichtenfelser Schützen vorhanden. Auch das Bamberger Staatsarchiv, das alle Forst- und Castenrechnungen das oberfränkischen Raumes bis 1802 fast lückenlos aufweist, erwähnt die Lichtenfelser Schützen nicht mehr. Die Behörden stellten in dieser Zeit ihre eigenen offiziellen Schutztruppen auf. Offensichtlich waren damit die Schützen als „Hilfspolizisten“ nicht mehr gefragt, der Niedergang der Schützenzunft war nicht mehr aufzuhalten. Der Geist der Französischen Revolution hat sicher den Niedergang beschleunigt.
Der Schützengeist ist in Lichtenfels jedoch nicht ausgestorben. Im Jahre 1810 überlegten und beschlossen Lichtenfelser Bürger, die Tradition der alten Lichtenfelser Schützenzunft wieder aufleben zu lassen und sie – nun auf sportlicher Basis – fortzusetzen. Am 2.Juli 1811 war es soweit: Lichtenfelser Bürger gaben sich eine Schützenordnung und wählten einen Oberschützenmeister und einen Unterschützenmeister, die „Schützengesellschaft Lichtenfels“ war gegründet.
In der Generalversammlung vom 10. Juli 1814 ersetzten die Schützen ihre Satzung durch eine ausführliche, die auf der Grundlage der königlich-bayerischen Schützenordnung vom 21. Juli 1796 baute.
Ab 1819 erfolgt eine Zeit der Ermüdung und Rückganges, da der hohe Aufwand für die Feste nicht mehr von allen Schützen getragen werden kann. Es wird auf die Durchführung der Schützenfeste verzichtet, obwohl sie so erfolgreich waren. Damit verbunden ist ein völliger Stillstand jeglicher Vereinstätigkeit.
Die bei der Gründung 1811 errichteten Gebäude, das Schützenhaus und das Schießstand-Häuschen sind mittlerweile baufällig. Das Beschlußbuch des Stadtmagistrats von Lichtenfels enthält unter dem 22. August 1827 den Eintrag: "Da das Schießhaus in einem polizeiwidrigen und gefahrvollen Zustand, nach abgenommener Einsicht befunden worden ist, soll dasselbe auf Kosten der Gemeinde eingelegt und das Material bis auf Weiteres an einem sicheren Ort verwahrt werden." Übrig bleibt lediglich die Schießmauer mit dem Zielerstand.
Am 14. September 1810 fasste eine kleine Gruppe von 17 Herren den Entschluss, den uralten Lichtenfelser Schießsport, der um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert gänzlich verschwunden war, wieder aufleben zu lassen. An der Spitze des Gründungsausschusses standen die führenden Männer der staatlichen Behörden, Landrichter Schell, Rentbeamter Roettinger und als Vorstand des Forstamtes Oberförster Schuster. Ihnen zur Seite traten Pfarrer Schauer, Kaplan Wittmann und Landgerichtsarzt Dr. Krappmann, sowie Aktuar Schlesing und Straßenbauingenieur von Lucas. Die Stadt war vertreten durch Bürgermeister Greiner und Stadtschreiber Georg Wagner, das Königlich Bayerische Landwehr-Bataillon durch die beiden Hauptleute Felix Silbermann und Johann Zeder, Oberleutnant Krug und Leutnant Würstlein. Beamtenschaft und Bürgertum vertraten Forstgehilfe Albert Loeser, Zeichenmeister Daniel Hefre und Bäckermeister Zech.
Diese kleine Gemeinschaft gründete am 2. Juli 1811 die „Königlich Privilegierte Scharfschützengesellschaft Lichtenfels" und wählte aus ihrer Mitte den Kaufmann und Hauptmann der Landwehr Felix Silbermann zum Oberschützenmeister, während der Oberleutnant der Landwehr und Holzhändler Georg Krug das Amt des Unterschützenmeisters übernahm. Ihre erste Aufgabe war die Erstellung einer Schützenordnung, der die bayer. Schützenordnung vom 21. Juli 1796 zugrunde lag. Man versuchte, den Text wesentlich knapper zu halten und stellte 24 Paragraphen auf, die den heutigen Leser oft zu einem leichten Schmunzeln verleiten. So steht etwa in § 11: „Zur Aufnahme eines Schützen wird erfordert, dass er von bürgerlichem oder Herren-Stande sei: derselbe muss einen untadeligen Lebenswandel führen, höflich und gesittet, auch der Ehre nicht geschimpfet sein." Ein anderes Beispiel ist der § 13: „Spotten, Neckereien, Zanken und Schimpfen ist unter einer Strafe von 15 Kreuzern untersagt, worüber die Schützenmeister zu wachen haben," oder der § 21, der den Schützen „das Tabakrauchen bei 12 Kreuzer Buße" verbietet. l)
Anmerkungen
1) Lichtenfelser Tagblatt, 1956/Nr. 161