Vom "Schiffanger" zum "Schützenplatz"

zur Geschichte des Areals vor der Stadthalle

Von "Schießanger" in "Schützenplatz" umbenannt wurde der Festplatz von Lichtenfels durch den Hauptausschuss des Lichtenfelser Stadtrates im Juli 2007. Grund genug, einen Blick in die Geschichte dieses Areals zu werfen.

Die erste schriftliche Erwähnung des Angers - eine alte Bezeichnung für grasbewachsenes Land - liegt von 1526 vor. Damals ist vom "Schiffanger" die Rede, die Fläche diente also den Fischern in Lichtenfels zur Aufbewahrung und zur Pflege ihrer Boote. Sicherlich wurde auf dem Areal auch Floßholz gelagert, und hier war vielleicht überdies der Platz, an dem Zimmerleute ihre Fachwerkkonstruktionen zusammenfügten.

Nicht zuletzt wurde auf dem Anger Vieh gehütet. Noch 1856 beschloss der Magistrat eine Strafe gegen unbefugte Viehhut auf dem Anger, und ein Blumenrondell auf dem Platz ließ die Schützengesellschaft 1881 mit einer Dornenhecke einfassen, um Hühner und Gänse abzuhalten.schiessplatz1733

Eine Zeichnung der Stadt Lichtenfels aus dem Jahr 1733, gefertigt von dem Schneyer Maler Christoph Wilhelm Meuser, zeigt den "Gemein Anger". Auf ihm steht ein Schelch, an dem ein Mann arbeitet, ferner sind zwei Bäume zu sehen. Diese versinnbildlichen aber wohl eine größere Zahl an Bäumen, wie sie für einen Hutanger typisch waren. 1716 ließ der Stadtrat den Schiffanger mit Linden aus dem Banzer Wald bepflanzen, und tatsächlich konnte der Bamberger Bibliothekar und einstige Langheimer Mönch Joachim Heinrich Jäck 1812 auf dem "schönsten Wiesengrunde unter dem wohlthätigsten Schatten und höchst aromatischen Geruche 100jähriger Lindenbäume" spazieren.

Zusätzlich zum Baumbestand hatte die Stadt 1807 und 1808 je 16 stattliche Linden im Wald ausgraben und auf den Anger versetzen lassen. Seit den 1830er Jahren traten Pappeln an die Stelle der Linden, die auf dem Schwemmland schlecht gediehen.

Als ab 1811 alljährlich Schützenfeste in Lichtenfels gefeiert wurden, avancierte der Anger zum Festplatz. Jäck, der 1812 über seinen Besuch dieser weit ausstrahlenden Veranstaltung berichtete, schilderte den Festbetrieb wie folgt: "unzählige Menschen durchkreuzen sich hier auf dem schönsten Wiesengrunde. Zum Rechten ist eine hohe Vogelstange und ihr gegenüber ein niedliches chinesisches Haus errichtet, dessen 4 grüne Vorhänge die Scharfschützen gegen Sonne, Wind und Regen in gleichem Maße sichern. Diesem zur Seite steht ein sehr geschmackvoll koloriertes italienisches Gebäude von 60 Schuhen in der Länge - 20 in der Breite und Höhe mit drey vorspringenden Pavillons.

In diesem Hause finden wir zahlreiche Diener der Schützen mit dem Laden der Büchsen zum Erringen des Ehrenpreises so beschäftigt, daß man sich ohne zu geniren kaum durchwinden kann."

Schießstände und Pappeln

1841lichtenfels flurkarteDrei Schießstände, flankiert von jungen Pappeln, sah Jäck, weiterhin das Schießhaus, in dessen Zentrum eine "tausendjährige" Linde stand, daneben fünf Privatzelte, die je eine große Familie aufnehmen konnten. Ferner standen auf dem Anger "ein allgemeines Gastzelt zum Bewirthen zahlreicher Fremden" und "ein langes ,breites und hohes Gebäude", das als Tanzsaal diente; Bratwürste und andere „Fleischspeisen“ wurden den Festbesuchern angeboten. "Hinter einer langen Reihe von kleineren Zelten und Hütten belustigt sich die männliche und weibliche Jugend dem Geiste unseres reitlustigen Zeitalters gemäß auf einem Karoussel von vier Pferden, und eine große Halle schützt die Spieler von zwey Kegelbahnen vor zu großer Sonnen­hitze." Neben dem Tanzhaus standen "Buden von Galanterie- und Zuckerwaren". Zur Mittagszeit wurden in einem Gastzelt die "seltensten und kostspieligsten Speisen" serviert. Ein Orchester spielte zur Tafel.

Wenn auch nicht ununterbrochen, so ist doch der Anger seit fast zwei Jahrhunderten die Stätte des Schützenfestes.
Denn eine Bebauung des Platzes, die 1921 und 1924 angesichts der herrschenden Wohnungsnot im Gespräch war, wurde durch Bürgerproteste abgewendet.
Wann sich der Name "Schießanger" als offizielle Bezeichnung einbürgerte, ist nicht geklärt. Auf einem Stadtplan von 1841, entstanden zur Vorbereitung des Bahnbaus, wird die Fläche noch als "Gemeinanger" bezeichnet. Vermutlich setzte sich der Name um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert durch, ohne aber in die Umgangssprache dauerhaft einzugehen.­

Meinung (Kommentar von Prof. Dr. Dippold zur Entscheidung des Hauptausschusses des Lichtenfelser Stadtrates)

Bedauerlich

Insoweit ist die Umbenennung in der vergangenen Woche sinnvoll:
Vom Schießanger sprach kaum jemand; üblich war und ist die Bezeichnung „Schützenanger“. Dass der Hauptausschuss des Stadtrates durch seinen jüngsten Beschluss aber das Grundwort „Anger“, das eine Tradition von mehreren hundert Jahren besitzt, durch die Allerweltsbezeichnung „Platz“ ersetzt hat, das ist ausgesprochen bedauerlich. Ein kleines Stück Lichtenfelser Geschichte, wie es sich im Namen „Anger“ spiegelt, droht zu verschwinden – wenn der Stadtrat nicht doch noch den „Schützenplatz“ zum „Schützenanger“ macht.
Günter Dippold

Hintergrund zur Umbenennung des Angers

Auszug aus dem Artikel im Obermain Tagblatt Lichtenfels vom 26. Juli 2007
Der Schießplatz heißt jetzt offiziell Schützenplatz. Dies entschied der Hauptausschuss in seiner jüngsten Sitzung. Unter der bisherigen Bezeichnung war der Platz bisher für Auswärtige schwer zu lokalisieren, so die Begründung. Gerade Besucher von Veranstaltungen in der Stadthalle würde diese oft am Schützenplatz suchen. Eine entsprechende Eingabe ins Navigationsgerät führte dann nicht weiter. Die Anwohner wurden laut Bürgermeisterin Dr. Bianca Fischer informiert, Einwände habe es nicht gegeben.